Im Mittelalter war die Stadt Rosenfeld geschützt durch eine Stadtmauer. Diese wurde unterbrochen durch zwei Stadttore: Das östliche befand sich unterhalb der Kirche, das westliche war auf der Höhe des heutigen Gasthauses Hirsch.

Tagsüber waren diese Tore geöffnet, abends mussten sie von den Torknechten zum Schutz vor wilden Tieren oder Feinden geschlossen werden. Auf dem oberen Torturm befand sich eine Glocke, die man läutete, bevor die Tore geschlossen wurden. Bürger und Reisende beeilten sich, vor Torschluss in die Stadt zu kommen. Standen sie nämlich vor dem verschlossenen Tor, so mussten sie der Wache Torgeld fürs Öffnen bezahlen oder außerhalb übernachten, entweder im Gasthaus zur Kanne oder im Gasthaus Weißochsen.

Im Jahre 1807 riss man das obere Tor ab und hängte die Glocke 1832 in den neu aufgesetzten Dachreiter des alten Rathauses.

Von einer alten Stiftung mit der heute noch eingehaltenen Bestimmung, dass dieses Glöcklein, das ehemals ganz aus Silber gewesen sein soll, jeden Abend um neun Uhr zu läuten sei, um verirrten Wanderern auf den rechten weg zu leiten, weiß uns eine Sage folgendes zu berichten.

Zurzeit Eberhard des Milden (1392 bis 1417) soll sich der Graf mit seinem Hofstaat in Rosenfeld zu Besuch aufgehalten haben. Dabei verirrte sich ein ihm sehr nahe stehendes Edelfräulein bei einem Ausflug in den dichten Wäldern des kleinen Heuberges. Trotz dem sofort nach ihr gesucht wurde, konnte die Verlorengegangene nicht mehr gefunden werden und der Graf war sehr betrübt.

Wie gewohnt wurde abends vor dem Schließen der Stadttore das Glöcklein geläutet. Dies vernahm unser verirrtes Edelfräulein und fand den Weg zurück nach Rosenfeld zu ihrem Fürsten. Dieser war über deren Errettung so erfreut, dass er der Stadt Rosenfeld den Kirnbergwald als Lehenwald überließ.

Auch die Rosenfelder fühlten sich im Glück: war dieser Wald doch mehrere 100 Morgen groß, wies einen alten Baumbestand auf und stellte deshalb ein beachtliches Vermögen dar.

Zur Erinnerung an dieses Ereignis wird weiterhin jeden Abend um 9.00 Uhr in Rosenfeld die ehemalige Torturmglocke geläutet. Diese Tradition darf nicht abgeschafft werden, sagen die alten Rosenfelder, denn sonst müsste der Kirnbergwald wieder an Vöhringen zurückgegeben werden.

Was nun Wahres an dieser Erzählung ist, lässt sich heute nicht mehr klar aufzeigen. Sicher ist, dass es um den Kirnbergwald, der als württembergischer Lehenwald Rosenfeld überlassen wurde, viele Zwistigkeiten, auch hangreiflicher Art, mit Vöhringen und Heiligenzimmern gab. Denn bis dahin wurde der vom Grafen an Rosenfeld verliehene Kirnbergwald von Vöhringen und Heiligenzimmern als ihr Eigentum betrachtet und auch entsprechend genutzt. Erst ein langwieriger Prozess im 18. Jahrhundert, der schließlich zu Gunsten Rosenfelds entschieden wurde, brachte rechtlich klare Besitzverhältnisse.

Im Stadtarchiv finden sich noch Stöße von Akten, die über den Prozessverlauf berichten. Da der Kirnbergwald auch heute noch teilweise auf Vöhringer Markung liegt, muss die Stadt Rosenfeld jährlich Grundsteuern an Vöhringen entrichten. Die Vöhringer haben allerdings bis heute noch nicht den Verlust „ihres“ Waldes verschmerzt, denn für die Rosenfelder gebrauchen sie weiterhin den Übernamen „Waldstehler“.